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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 09.01.2008
Aktenzeichen: 14 A 1228/07
Rechtsgebiete: GG, BO


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
BO § 9 Abs. 1 Satz 5
BO § 15 Abs. 1
1. Der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur darf mit Informationsschreiben nicht aktiv, "ungefragt", mit dem alleinigen Ziel der Kundenakquisition an Menschen herantreten.

2. Ein gezieltes Informationsschreiben ist keine berufswidrige Werbung, wenn es durch einen anderweitig erteilten Auftrag vermessungsrechtlich und/oder -technisch veranlasst wird und durch Berufspflichten gerechtfertigt ist.

3. Einzelfall der Information über die Gebührenermäßigung für eine Gebäudeeinmessung, deren gleichzeitige Durchführung mit einer anderweitig beauftragten Grenzvermessung nach dem Fortführungsvermessungserlass empfohlen werden soll.


Tatbestand:

Der Kläger ist Öffentlich bestellter Vermessensingenieur. Er erhielt von einer Wohnbaugesellschaft, die in einem Neubaugebiet überwiegend Einfamilienhausgrundstücke bebaut oder unbebaut veräußert und Erbbaurechte vergeben sowie aufgrund eines Erschließungsvertrages die Straßen dazu ausgebaut hatte, den Auftrag, nach dem Straßenausbau alle Grenzknickpunkte sichtbar abzumarken und eine Bescheinigung über die Einhaltung der Grenzen durch den Endausbau der Straßen zu erteilen.

Im Rahmen der Erledigung dieses Auftrages schrieb der Kläger etwa 40 Grundstückseigentümer in dem Neubaugebiet an, die nach seiner vom Katasteramt erhaltenen Information noch keinen Antrag auf Gebäudeeinmessung gestellt hatten. In diesen Anschreiben teilte er mit, dass er aufgrund von Grenzvermessungsarbeiten möglicherweise das Grundstück des jeweiligen Eigentümers betreten müsse und bat um Mitteilung, falls Interesse daran bestehe, das auf dem Grundstück errichtete einmessungspflichtige Gebäude gleichzeitig einzumessen. Dabei wies er darauf hin, dass sich bei Einmessung eines Gebäudes im Zusammenhang mit der durchzuführenden Grenzvermessung die gesetzlichen Gebühren um 20 % und bei gleichzeitiger Einmessung von Gebäuden auf aneinander grenzenden Grundstücken diese Gebühren um weitere 10 % ermäßigten und dass außerdem die Gebühren für die Erstellung der Katasterunterlagen nicht anfielen. Den Schreiben fügte er jeweils einen formularmäßig vorbereiteten Antrag auf Gebäudeeinmessung bei.

Der Beklagte setzte gegen den Kläger eine Geldbuße von 2.400,00 € wegen schuldhafter Verletzung der Berufspflichten als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur fest, weil er mit seinem Vorgehen gegen das Werbeverbot für Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure verstoßen habe. Mit seiner Briefaktion habe er den Zweck verfolgt, Gebäudeeinmessungsaufträge zu bekommen und habe dazu unter anderem auf mögliche Kosteneinsparungen hingewiesen und für sich als ausführende Vermessungsstelle geworben. Für die getroffene Maßnahme und ihre Höhe falle ins Gewicht, dass er sein Fehlverhalten nicht einsehe und bereits im Jahre 2002 das Werbeverbot Gegenstand einer Ahndungsmaßnahme (Missbilligung) gegen ihn gewesen sei.

Widerspruch und Anfechtungsklage hatten keinen Erfolg. Auf die Berufung des Klägers wurden das angefochtene Urteil und die Bescheide des Beklagten aufgehoben.

Gründe:

Die angefochtenen Bescheide stützen sich auf § 15 Abs. 1 der Berufsordnung für die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure in Nordrhein-Westfalen (ÖbVermIng BO NRW-BO-) vom 15.12.1992, GV. NRW. S. 524, in der zur Zeit des Erlasses des Widerspruchsbescheides geltenden Fassung vom 22.11.1994, GV. NRW. S. 1058. Danach kann die Beklagte als Aufsichtsbehörde (§ 14 Abs. 1 BO) die schuldhafte Verletzung von Berufspflichten unter anderem durch eine Geldbuße ahnden. Die Beklagte stellt mit dem angefochtenen Bescheid fest, dass der Kläger durch die Anschreiben an 40 Grundstückseigentümer gegen das Werbeverbot gemäß § 9 Abs. 1 Satz 5 BO verstoßen hat, und verhängt deshalb eine Geldbuße, die sich in der Höhe an dem beworbenen Gebührenvolumen orientiert. Das hält entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, weil zumindest ein Teil der Anschreiben in der konkreten Situation berufsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

Der Senat geht mit dem VG davon aus, dass § 9 Abs. 1 Satz 5 BO keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4.9.2007 - 14 A 4267/05 -, Juris = NRWE = DVBl. 2007, 1513 (Leitsatz).

Zwar ist nach dem Wortlaut dieser Vorschrift den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren jegliche Werbung untersagt. Das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG gilt jedoch grundsätzlich auch für den Kläger, einen beliehenen Freiberufler (vgl. § 2 Abs. 2 VermKatG NRW in der Fassung der Bekanntmachung vom 1.3.2005, GV. NRW. S. 175, in Verbindung mit § 1 Abs. 1 BO). Denn es schützt die berufliche Außendarstellung des Grundrechtsträgers einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme seiner Dienste auch dann, wenn es sich um den Angehörigen eines staatlich gebundenen Berufs handelt. Das Werbeverbot ist ein Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit der Berufsausübung und bedarf deshalb nach Satz 2 dieser Norm einer gesetzlichen Grundlage, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt.

Vgl. dazu aus neuerer Zeit BVerfG, Beschluss vom 24. 11. 2005 - 1 BvR 1870/04 -, DNotZ 2006, 226 = NJW 2006, 359, sowie OVG NRW, Urteil vom 27. 4. 2001 - 7 A 4490/99 -, NRWE, und Beschluss vom 29. 8. 2006 - 13 A 3968/04 - (dazu BVerwG, Beschluss vom 7. 11. 2006 - 6 B 92.06 -), jeweils mit zahlreichen Nachweisen aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung.

Ein solcher Eingriff ist dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn er vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dient und den Grundrechtsträger nicht übermäßig oder unzumutbar belastet. § 9 Abs. 1 Satz 5 BO steht damit im Einklang, weil die Vorschrift verfassungskonform dahin ausgelegt werden kann, dass nur die berufswidrige Werbung verboten ist. Ebenso wie der erkennende Senat teilen ersichtlich auch die Verfahrensbeteiligten diese Auffassung des 7. Senats des erkennenden Gerichts in dem oben genannten Urteil, auf dessen Ausführungen deshalb insoweit Bezug genommen werden kann.

Bei dieser Rechtslage ist es angesichts der vielfältigen und sich entwickelnden Medien, Inhalte und Gestaltungsmöglichkeiten nicht möglich, aufgrund von § 9 Abs. 1 Satz 5 BO einen Positivkanon zulässiger Werbung zu formulieren. Werbung ist ein Verhalten, das darauf angelegt ist, andere dafür zu gewinnen, die Leistung desjenigen in Anspruch zu nehmen, für den geworben wird.

Vgl. BGH, Beschluss vom 7. 10. 1991 - AnwZ (B) 25/91 -, NJW 1992, 45 = MDR 1991, 1203.

Nicht aus dem Begriff "Werbung", sondern aus dem Begriff der "Berufswidrigkeit" ist die Grenze zwischen erlaubter und verbotener Werbung herzuleiten, d. h. werbewirksames Verhalten und Werbung sind grundsätzlich erlaubt, es sei denn, sie sind berufswidrig.

Vgl. zu Regelungen, die die Dienstleistungsfreiheit und damit auch die Berufsausübung aus Gründen des Allgemeinwohls beschränken, EuGH, Urteil vom 5. 12. 2006 - C - 94/04 und C - 202/04 -, BB 2007, 462, Ziff. 61 ff.

Es liegt in der Natur von Werbung im Wirtschaftsleben, den persönlichen Bekanntheitsgrad des Werbenden und seines Produkts oder seiner Dienstleistung zu erhöhen und gleichzeitig potentielle Abnehmer dazu zu bringen, Produkt oder Dienstleistung von ihm abzunehmen. Insoweit unterscheidet sich Werbung von bloßer Information. Das Verbot berufswidriger Werbung soll eine Verfälschung des Berufsbildes durch die Verwendung von Werbemethoden verhindern, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich sind. Durch Werbeaussagen dürfen keine unrichtigen Erwartungen entstehen, zumal die berufliche Leistung des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs wie diejenige anderer freier Berufe von Laien häufig nur schwer einschätzbar ist.

Vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 14. 7. 1987 - 1 BvR 362/79 -, BVerfGE 76, 196.

Nach diesen Grundsätzen ist mit dem VG für die Qualifizierung von Werbung als berufswidrig von Folgendem auszugehen: Dem freien Beruf des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs sind durch das Vermessungs- und Katastergesetz Befugnisse übertragen worden, mit denen er wie die behördlichen Träger eine bedeutende Funktion im amtlichen Vermessungswesen wahrnimmt. Dieses dient unter anderem dem Rechtsverkehr zwischen den Bürgern und damit dem Rechtsfrieden in der Gemeinschaft, mithin einem überragenden Gemeinschaftsgut.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 1.7.1986 - 1 BvL 26/83 -, BVerfGE 73, 301 (316f.); OVG NRW, Urteil vom 27. 6. 1996 - 7 A 4924/94 -, m. w. N.

Auch für die vielfältigen Formen staatlicher Planung bedarf es eines verlässlichen Zahlen- und Kartenmaterials. Zur Sicherung der Erreichung dieser Ziele hat er ähnlich dem Notar seinen Beruf u. a. eigenverantwortlich, unabhängig, unparteiisch, sorgfältig, gewissenhaft und sachgerecht auszuüben und sich so zu verhalten, dass das Ansehen des Berufs und die Achtung und das Vertrauen, die dem Beruf entgegengebracht werden, gewahrt bleiben (vgl. die einzelnen Regelungen in §§ 9 und 10 BO). Zwar kann ein Werbeverbot nicht gewährleisten, dass ein Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur seine Tätigkeit entsprechend diesen Berufspflichten ausübt. Es dient aber als "flankierende Maßnahme" der Sicherung der ordnungsgemäßen Berufsausübung.

Die Werbung des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs ist danach dann berufswidrig, wenn sie aus der Sicht eines verständigen Werbungsadressaten die Besorgnis rechtfertigt, er werde im Rahmen seiner Tätigkeit das amtliche Vermessungswesen oder die Interessen der Beteiligten an den von ihm durchzuführenden Verwaltungsverfahren gefährden. Das ist dann anzunehmen, wenn er mit seiner Werbung als einem Teil seiner Außendarstellung den Eindruck eines rein geschäftsmäßigen, am Gewinn orientierten Verhaltens erweckt und damit das Vertrauen der Allgemeinheit beschädigt, dass er seine Aufgaben und seine ihm in deren Rahmen eingeräumten Befugnisse im Bewusstsein der Verantwortung für das Vermessungswesen und dessen Bedeutung für den Rechtsverkehr wahrnimmt.

Daraus folgt für das zu beurteilende Verhalten des Klägers:

1. Sein Schreiben ist als Informationsschreiben abgefasst und weder nach Form noch nach Gestaltung aus dem Blickwinkel des Werbeverbots zu beanstanden. Es wird insoweit von der Beklagten auch nicht gerügt. Soweit die Beklagte im Widerspruchsbescheid anführt, dass der Kläger seine Leistungen "anpreist", wird ersichtlich nur auf den Inhalt des Schreibens abgestellt.

2. Es ist - ohne dass es dazu weiterer Erläuterungen bedarf - ein elementarer berufsrechtlicher Grundsatz, dass der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur nicht aktiv - auch nicht mit sogenannten Informationsschreiben - also "ungefragt" mit dem alleinigen Ziel der Kundenakquisition an Menschen herantreten darf. Er darf an potentielle Auftraggeber aber dann herantreten, wenn dies durch einen anderweitig erteilten Auftrag vermessungsrechtlich und/oder -technisch veranlasst wird und es durch seine Berufspflichten gerechtfertigt ist, wie sie sich aus dem Gesetz und dazu erlassenen Verwaltungsvorschriften ergeben.

a) Insoweit ist es unbedenklich und durch § 6 Abs. 2 VermKatG in vielen Fällen sogar geboten, dass der Kläger Grundstückseigentümer angeschrieben und darauf hingewiesen hat, dass er im Zuge des ihm erteilten Vermessungsauftrages möglicherweise ihre Grundstücke betreten muss. Der Umstand, dass er nur Grundstückseigentümer in dieser Weise angeschrieben hat, die nach seiner Kenntnis ihre Pflicht zur Gebäudeeinmessung noch nicht erfüllt hatten, lässt zwar ein über die bloße Information hinausgehendes Motiv erkennen. Das genügt jedoch nicht, den objektiv informierenden Charakter eines solchen Schreibens "umzuwerten".

b) Es ist grundsätzlich unbedenklich, wenn der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur auf die gebührenrechtlichen Konsequenzen hinweist, die aufgrund der gemäß § 2 der Kostenordnung für die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure/Vermessungsingenieurinnen (ÖBVermIngKO NRW) anzuwendenden Ziff. 4.6.3.1 und gegebenenfalls Ziff. 4.6.3.2 der Vermessungsgebührenordnung (VermGebO NRW) entstehen, wenn eine Gebäudeeinmessung im Zusammenhang mit einer Fortführungsvermessung anderer Art ausgeführt wird sowie wenn sodann Gebäude auf aneinandergrenzenden Grundstücken gemeinsam eingemessen werden. Entgegen der Auffassung des VG gilt dies auch dann, wenn der darüber informierte Eigentümer, dessen Grundstück von einer Grenzvermessung betroffen ist, selbst bisher kein Auftraggeber war. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Inhalt und Zweck des Liegenschaftskatasters ist es gemäß § 11 Abs. 1 VermKatG, die Liegenschaften im Landesgebiet, und zwar Flurstücke und Gebäude, aktuell darzustellen und zu beschreiben. Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Gesetzgeber in § 16 VermKatG Pflichten u.a. der Grundstückseigentümer begründet. Dazu gehört die Pflicht zur Einmessung neu errichteter oder in ihrem Grundriss veränderter Gebäude. § 19 der DurchführungsVO zum VermKatG regelt, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, das Verfahren der Katasterbehörden zur Durchsetzung dieser Pflicht. Daneben begründet der vom Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen erlassene Fortführungsvermessungserlass (FortVErl.) in seiner Ziff. 7.51 Abs. 2 einen weiteren Weg, um die angestrebte Vollständigkeit und Richtigkeit des Liegenschaftskatasters schnell und genau und zugleich vermessungstechnisch weniger aufwändig sicher zu stellen. Danach soll den Eigentümern oder Erbbauberechtigten, deren Grundstücke von Teilungs- oder Grenzvermessungen betroffen sind, empfohlen werden, die Gebäudeeinmessung gleichzeitig mit vornehmen zu lassen. Eine solche Empfehlung kann der Kläger naturgemäß nur aussprechen, wenn er an betroffene Grundstückseigentümer auch dann herantritt, wenn sie noch nicht seine Auftraggeber sind.

Soweit die Beklagte möglicherweise ursprünglich davon ausgegangen ist, dass die an Straßengrenzen angrenzenden Grundstücke nicht von einer Vermessung der Straßengrenzen betroffen werden, geht der Senat dem nicht weiter nach. Denn inzwischen ist, wie sich u. a. aus den Eintragungen in dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übergebenen Kartenmaterial ergibt, zwischen den Verfahrensbeteiligten nur noch umstritten, ob alle oder nur ein Teil der Grundstücke, deren Eigentümer der Kläger angeschrieben hat, von der im Auftrag der Wohnbaugesellschaft durchgeführten Grenzvermessung betroffen wurden. Das hängt ersichtlich damit zusammen, dass unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, ob und ab wann vom Vorliegen von Koordinatenkatastergenauigkeit im in Rede stehenden Gebiet auszugehen war. Es ist jedoch mit dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten im Berufungsverfahren und in der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass diejenigen Grundstücke von der beauftragten Grenzvermessung betroffen waren, in deren Grenze Knickpunkte der Straßengrundstücksgrenzen liegen. Jedenfalls in Bezug auf diese traf den Kläger die "Sollens"-Verpflichtung gemäß Ziff. 7.51 Abs. 2 FortVErl.

Es ist im Ergebnis unschädlich, dass der Kläger in seinen Anschreiben nicht die dieser Regelung entsprechende Empfehlung ausgesprochen hat. Es kann ihm nämlich zugute gehalten werden, dass er einen in der Regel wirkungsvolleren Weg gewählt hat. Die Gebäudeeinmessungspflicht dürfte sich in den meisten Fällen schneller durchsetzen lassen, wenn dem Einmessungspflichtigen konkrete Gebührenvorteile in Aussicht gestellt werden können, statt die Erfüllung einer Pflicht nahe zu legen, die im abstrakten öffentlichen Interesse an der Aktualität und Vollständigkeit des Liegenschaftskatasters liegt. Es ist zwar nicht erkennbar, dass die Gebührenordnung die Gebührenermäßigung als Anreiz für Grundstückseigentümer zur schnellen Erfüllung der Gebäudeeinmessungspflicht eingeführt hat. Vielmehr findet sie ihren Grund darin, dass die Durchführung zweier Fortführungsvermessungen auf einem Grundstück für die Vermessungsstelle weniger arbeitsaufwändig ist. Dennoch ist ihre Inaussichtstellung geeignet, ein im öffentlichen Interesse wünschenswertes Verhalten der Grundstückseigentümer zu fördern. Wenn bei dieser Gelegenheit - wie es der Kläger getan hat - über die weitere Ermäßigungsmöglichkeit gemäß 4.6.3.2 VermGebO NRW abstrakt informiert wird, führt das zu keiner anderen Beurteilung.

Der Effekt der Gebührenvorteile, nämlich die Gebührenbelastung des Bürgers wegen des in typischer Weise geringeren Vermessungsaufwandes zu verringern, kann jedoch nur eintreten, wenn der Bürger über die tatsächlichen Voraussetzungen, nämlich u.a. die Möglichkeit einer gleichzeitigen Einmessung im Sinne der Ziff. 7.51 Abs. 2 FortVErl., informiert wird. Diesem Informationsinteresse genügt das Schreiben des Klägers mit zutreffendem Inhalt bei all denjenigen Grundstücken, die - wie oben dargestellt - durch die Grenzvermessung betroffen sind. Im Übrigen trifft die "Sollens"-Pflicht aus Ziff. 7.51 Abs. 2 FortVErl. nicht nur den Kläger, sondern auch jede andere im konkreten Fall in Betracht kommende Vermessungsstelle, unabhängig davon, wer sodann den Gebührenvorteil nach 4.6.3.1 VermGebO NRW bewirken kann. Diese Regelung und ihre mögliche gebührenrechtliche Folge greift im öffentlichen Interesse und im Interesse der gebührenpflichtigen Bürger in den Wettbewerb zwischen verschiedenen Vermessungsstellen ein. Wenn die Vermessungsstellen dementsprechend handeln und gegebenenfalls Aufträge zurückgeben, die eine andere Stelle in vermessungstechnisch vorzuziehender Weise und für den Bürger gebührenrechtlich vorteilhafter durchführen kann, wird das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Vermessungsstellen besonders gefördert. Demgegenüber würde ein bewusstes Schweigen der Vermessungsstellen den Eindruck eines rein geschäftsmäßigen, am Gewinn orientierten Verhaltens fast unwiderleglich hervorrufen. Denn das hätte zur Folge, dass verschiedene Vermessungsstellen zu Lasten des Bürgers Aufträge mit nicht ermäßigten Gebühren behalten und abrechnen.

3. Im Übrigen muss auch die Werbung, die durch derartige Informationsschreiben erfolgt, inhaltlich richtig sein und darf nicht irreführen. Auch dazu bedarf es keiner zusätzlichen Erörterungen. Das ist u. a. dann der Fall, wenn Gebührenermäßigungen nur mit der notwendige Differenzierung angekündigt werden. Es bedarf keiner Erläuterung, dass der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur Vermessungsaufträge nicht dadurch akquirieren darf, dass er Gebührenermäßigungen pauschal in Aussicht stellt, wenn sie bei der gebotenen Betrachtung im Einzelfall nach der Gebührenordnung nicht vorgesehen sind. Denn indem er sich damit einen Wettbewerbsvorteil vor anderen Vermessungsstellen verschafft, wird der Eindruck rein gewerbsmäßigen Handelns erweckt. Der Kläger hat in seinem Schreiben allen adressierten Grundstückseigentümern die Gebührenermäßigung gemäß Ziff. 4.6.3.1 VermGebO NRW angekündigt. Das ist falsch, soweit Grundstückseigentümer angesprochen worden sind, deren Grundstücke durch die von ihm durchgeführte Grenzvermessung nicht betroffen wurden. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Annahme der Beteiligten zutrifft, dass es sich bei der Gebäudeeinmessungsgebühr um die "jeweils niedrigere" im Sinne der Ziff. 4.6.3.1 VermGebO NRW handelt. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass er im Zeitpunkt seines Schreibens noch nicht von Koordinatenkatastergenauigkeit der Grenzpunkte ausgehen konnte. Sein Schreiben war undifferenziert gefasst. Es ist von ihm auch nicht korrigiert worden, nachdem Koordinatenkatastergenauigkeit hergestellt war mit der Folge, dass bei einer Reihe von Grundstücken der Vermessungsauftrag ohne Grenzvermessung ausgeführt werden konnte. Das Regelungsgeflecht aus Ziff. 7.51 Abs. 2 FortVErl. und Ziff. 4.6.3.1 VermGebO NRW erlaubt ein Ansprechen von potentiellen Auftraggebern und ein Inaussichtstellen einer Gebührenermäßigung dann, wenn der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur bei Beachtung der für die Einhaltung der Berufspflichten erforderlichen Sorgfalt beurteilen kann, dass deren Voraussetzungen erfüllt sind.

Danach waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben. Sie können auch nicht teilweise aufrecht erhalten werden, obwohl sie im Hinblick auf die Höhe der Geldbuße an die Anzahl der Anschreiben anknüpfen. Denn die Beklagte hat die Verhängung der Geldbuße darauf gestützt, dass der Kläger in 40 Fällen in gleichartiger Weise gegen das Verbot berufswidriger Werbung verstoßen hat. Das ist nach dem Vorstehenden nicht der Fall. Vielmehr informieren eine Reihe der Anschreiben objektiv zutreffend und sind deshalb berufsrechtlich nicht zu beanstanden. In den Zumessungserwägungen verweist die Beklagte ausdrücklich auf die mangelnde Einsicht des Klägers in sein Fehlverhalten. Das kann allenfalls mit der nach den vorstehenden Erwägungen notwendigen Differenzierung aufrecht erhalten werden. Im Übrigen stützt die Beklagte sich in den Zumessungserwägungen darauf, dass berufswidrige Werbung des Klägers bereits in einem früheren Fall "Gegenstand einer Ahndungsmaßnahme (Missbilligung)" war. Das trifft nicht zu und ist deshalb unsachlich. Gemäß § 15 Abs. 1 ÖBVermIngBO NRW kann die Beklagte gegen Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure wegen schuldhafter Verletzung ihrer Berufspflichten die dort genannten Ahndungsmaßnahmen festsetzen. Eine Missbilligung gehört nicht dazu. Danach muss die Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger bisher von Ahndungsmaßnahmen nicht belastet ist.

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